Von Peter Haisenko | Das Portal des Anderwelt Verlags für kritischen Journalismus und Meinungsbildung
Bundespräsident Steinmeier fordert, unsere Demokratie zu verteidigen. Das impliziert, dass es noch mindestens eine andere als unsere Demokratie gibt. Wen meint er mit „uns“? Wen schließt er damit aus und was macht „unsere Demokratie“ so besonders?
Vielleicht bin ich ja naiv, wenn ich glaube, jeder Staat ist eine Demokratie, in dem die Bürger darüber abstimmen, wer sie regieren darf. Aber auch ich weiß, dass mit dem Terminus Demokratie viel Schindluder getrieben worden ist. Kaum ein Staat, der „demokratisch“ ostentativ in seinem Staatsnamen geführt hat, war demokratisch. Aber ich gehe davon aus, dass Steinmeier & Co nicht diesen Unterschied meinen, wenn sie von unserer Demokratie sprechen. So, wie dieser als Kampfbegriff verwendet wird, bezieht er sich auf einen innenpolitischen Zustand. Nicht nur in der BRD. Auch in den USA warnt Präsident Biden, die Demokratie wäre in Gefahr, wenn Donald Trump demokratisch zum Präsident gewählt wird. Worum geht es also wirklich, wenn unsere Demokratie verteidigt werden soll?
Betrachten wir dazu den Zustand unserer Demokratie um herauszufinden, was unsere Demokratie so besonders machen könnte, dass sie unbedingt verteidigt werden muss. Beginnen wir an der Spitze, beim Bundespräsident. Dieser wird in der BRD nicht demokratisch gewählt. Die Bürger, die Wähler, dürfen nicht an der Wahl teilnehmen. Er wird gewählt von einer Versammlung handverlesener Auserwählter. Diese Auswahl erfolgt nach einem Modus, der mit Demokratie nichts zu tun hat. Eine Gruppe mehr oder weniger anonymer Personen bestimmt darüber, wer den Bundespräsident küren darf. Nun stelle man sich vor, Russlands Präsident würde nach demselben Verfahren bestimmt werden. Würden sich da nicht alle unsere Demokraten im Recht sehen, Russland undemokratischer Verfahren zu bezichtigen?
Freie Wahlen in unserer Demokratie
Gehen wir eine Ebene tiefer. Haben wir mit unserer Stimmabgabe die Möglichkeit darüber zu bestimmen, wer Kanzler oder Minister wird? Ja sogar, wer Abgeordneter wird? Haben wir eben nicht. Wir können nur darüber abstimmen, welche vorab ausgekungelte Liste welcher Partei uns die wenigsten Kopfschmerzen bereitet. Wer aber auf welchem Platz innerhalb dieser Listen steht, entzieht sich vollständig unserem Einfluss. Das machen die Partei-Granden unter sich aus. Wir können auch nicht darüber abstimmen, mit wem die Partei unserer Wahl nach der Wahl eine Koalition eingehen darf. Zum Beispiel kann ich mir nicht vorstellen, dass die Mehrheit der FDP-Wähler wollte, dass ihre Partei in eine Koalition mit den Grünen eintritt. Der Absturz der FDP belegt meine Vermutung. Es geht weiter. Wollte die Mehrheit der Wähler die grünen Baerbock und Habeck oder den SPD-Scholz in diesen hohen Ämtern sehen? Offensichtlich nicht, wie die katastrophale Zustimmung zur aktuellen Regierung mit weniger als 20 Prozent belegt.
Kommen wir zur Parteiebene. Hat es noch etwas mit Demokratie zu tun, wenn Parteien andere Parteien nicht an etablierten demokratischen Verfahren teilhaben lassen? Wenn Gesetze geschaffen werden sollen, die speziell einer Partei den Zugang zu Rechtsverfahren verwehren sollen? Ich erinnere hier an die unwürdigen Verweigerungen von Vizeposten im Bundestag und jetzt auch im hessischen Landtag. Kann es eines Demokraten würdig sein, wenn er eine Konkurrenzpartei als undemokratisch bezeichnet? Wo doch jedem Demokraten bewusst sein sollte, dass in der BRD nur Parteien zur Wahl zugelassen sind, die in ihrem Programm keinen Verstoß gegen das Grundgesetz formuliert haben. Allein die andauernd wiederholte Formel, mit der sich die etablierten Parteien als demokratisch bezeichnen, sich so von ihrem Hauptgegner abgrenzen wollen und suggerieren, dass dieser nicht demokratisch sei, ist eines echten Demokraten unwürdig.
Wenn die Regierung zu Demonstrationen aufruft
Der Kanzler selbst und einige seiner Minister haben nicht nur an Demonstrationen teilgenommen, die gegen eine Partei gerichtet sind, sondern auch zur Teilnahme aufgerufen. Zur Teilnahme an Demonstrationen, auf denen offen zu Gewalt und Hass gegen Andersdenkende aufgerufen wird. Der Bundespräsident hat eine Partei als Rattenfänger und damit ihre Wähler als Ratten bezeichnet. Damit hat er gegen das Neutralitätsgebot verstoßen, das er mit seinem Amt einhalten muss. So jedenfalls steht es im Grundgesetz. Mitglieder der Parteien, die ihr Felle davonschwimmen sehen, bedrohen Gastwirte und Veranstalter, wenn sie einer Oppositionspartei Räume für Versammlungen vermieten wollen. Die ÖRR-Medien unterstützen kritiklos die Regierungsagenda. Offene Diskussionen über Klima oder Migration werden abgewürgt mit Totschlagargumenten, die andere Ansichtsweisen als rechtsradikal und rassistisch abkanzeln. Das ist also der Zustand unserer Demokratie.
Das selektive „Wir“
Bundespräsident Steinmeier wird nicht müde zu behaupten, „wir“ leben im besten Deutschland, das es jemals gegeben hat. Damit bin ich zurück beim „wir“ und „unserer“. Wer ist denn „wir“ und „uns“? Mit „wir“ kann Steinmeier nicht die Millionen gemeint haben, die nicht mehr wissen, wie sie die Heiz- und Mietkosten bezahlen sollen. Müsste da nicht treffender das „WIR“ groß geschrieben sein, als pluralis majestatis? So, wie Mitglieder von Herrscherhäuser diesen früher verwendet haben? Ja, er selbst lebt sicherlich im besten Zustand, den er in irgendeinem Staat erreichen könnte. Und wie ist es da mit „unsere“? Ist das auch ein pluralis majestatis? Meint man mit „unserer Demokratie“ die Demokratie, die die Herrschaft der Herrschenden sichert? Schließlich sind es die Herrschenden, die von unserer Demokratie fabulieren und deren Verteidigung fordern.
Was hat unsere Demokratie für uns geleistet?
Eines sollte klar sein: „Unsere Demokratie“ darf nicht in die Hände einer ungeliebten Oppositionspartei fallen, auch wenn dieser Vorgang noch so demokratisch abläuft. Um das zu erreichen, werden undemokratische Methoden angewendet. Inklusive Verächtlichmachung von Oppositionspolitikern, die „zu viel“ Zuspruch bei den Wählern finden. Selbst der Verfassungsschutz wird dafür instrumentalisiert. So komme ich zu der Vermutung, dass es sich bei „unserer Demokratie“ um eine Herrschaftsform handelt, deren Vorteile sich auf einen eher kleinen Kreis beschränken, die dieser zum Machterhalt missbraucht. „Unsere Demokratie“ hat uns anderen schließlich die diktatorischen Massnahmen serviert, die mit Corona einher gegangen sind und Grundrechte verletzt haben. „Unsere Demokratie“ hat uns andere in einen Konflikt mit Russland getrieben, zu Gunsten des undemokratischsten und korruptesten Staats Europas, der Kiew-Ukraine. „Unsere Demokratie“ hat uns anderen die niedrigsten Renten Europas verordnet und die seit mehr als zwanzig Jahren bekannten „Cum-Ex-Betrügereien“ bis heute nicht abgestellt.
„Unsere Demokratie“ hat uns anderen unbezahlbare Energiekosten beschert und das Land mit Kulturfremden geflutet, die mit dem Geld von uns anderen alimentiert werden. Aber was schert das diejenigen, die fett vom Geld von uns anderen leben? Von denen manche nicht einmal wissen, wie niedrig die Renten sind oder wieviel das Benzin kostet. So betrachte ich den Terminus „unsere Demokratie“ als Manifestierung der Spaltung der Bevölkerung in uns da oben und euch da unten. So drehe ich den Spieß jetzt um und sage: „Eure Demokratie“ will ich nicht. Ich will eine Demokratie, die den Wähler als Souverän respektiert und die nicht von einer Herrscherclique usurpiert ist. Eine Demokratie, in der frei diskutiert werden kann und die einen demokratischen Machtwechsel akzeptiert, wenn der Wähler es will. Die keine Brandmauern aufstellt, um eben diesen Machtwechsel zu verhindern. Allein das unterscheidet schon „meine Demokratie“ von „unserer Demokratie“, die nicht die Unsere sein kann, weil sie uns „normale“ Bürger und Wähler nicht respektiert.
Vergessen wir nie, wie der ehemalige Bundespräsident Gauck Lenin zitiert hat: ..."wenn du die Macht hast, gib sie nie wieder her"... Das ist die Essenz von „unserer Demokratie“.
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Wer mehr über den Zustand unserer Demokratie erfahren will, dem empfehle ich das Werk des Ex-Bundestagsabgeordneten Hans-Jörg Müller „Scheindemokratie“. Müller als Insider beschreibt die (undemokratischen) Mechanismen nicht nur am Beispiel der AfD. Dieses Werk ist ein Augenöffner für alle, die immer noch glauben wollen, in unserer Demokratie läuft alles streng nach demokratischen Prinzipien ab. Bestellen Sie Ihr Exemplar „Scheindemokratie“ direkt beim Verlag hier oder erwerben Sie es in Ihrem Buchhandel.
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