Einhausen. Dass die Deiche der Weschnitz in den kommenden Jahren auf einem rund 4,5 Kilometer langen Abschnitt zwischen Einhausen und Biblis beidseitig saniert werden, das ist seit Monaten bekannt. Vor allem wie die Sanierungsarbeiten aussehen könnten, stellte das Planungsteam jetzt bei einer Informationsveranstaltung in der neuen Mehrzweckhalle vor.
Bürger konnten sich einbringen
Nach zwei ähnlichen Veranstaltungen in den Gemeinden im vergangenen Mai hatten die Bürger Zeit, um ihre Fragen, Anmerkungen und Anliegen zum Thema bei den Planern einzureichen. Jetzt, bei einem weiteren öffentlichen Termin, präsentierten Ulrich Androsch, Geschäftsführer des Gewässerverbandes Bergstraße, Ralf Franke, Projektleiter beim Staatlichen Wasserbau des Regierungspräsidiums Darmstadt und Thomas Schönrich vom beauftragten Ingenieurbüro BGS Wasser ihre Vorzugsvariante, die sie nach zahlreichen Untersuchungen entlang und in der Weschnitz mit Beachtung der Vorschriften und den eingereichten Anmerkungen und Wünschen der Bürger erarbeitet haben.
Lebensraum für bedrohte Arten
Generell wird der Deich nämlich aus gesetzlichen und technischen Gründen mindestens fünf Meter weiter weg von der Weschnitz verlaufen als bisher, also auch auf Arealen, die derzeit als Äcker oder Wiesen genutzt werden. Allerdings, das haben die Untersuchungen vor Ort gezeigt, sei es nicht möglich, diese genau fünf Meter überall entlang der Weschnitz einzuhalten. Denn neben der Sanierung der in die Jahre gekommenen Weschnitz-Deiche soll das Flüsschen in verschiedenen Abschnitten wieder einen naturnäheren Verlauf erhalten und ökologisch aufgewertet werden.
An einigen Stellen soll der Deich dazu künftig von seinem bisherigen geraden Verlauf abweichen und weiter ins Hinterland verlegt werden, um Raum für natürliche Gewässerstrukturen zu gewinnen.
Dort können dann beispielsweise breitere Flachwasserbereiche und Krümmungen entstehen.
Thomas Schönrich vom beauftragten Ingenieurbüro BGS Wasser stellte die Ergebnisse der Untersuchungen vor, die Experten entlang der Weschnitz vorgenommen haben. Geprüft wurden unter anderem die vorhandenen Böden ebenso wie die Flora und Fauna entlang des Flüsschens.
Als besonders schützenswert haben sich beispielsweise wertvolle Brutflächen abgezeichnet, die in hochsensible und sensible Bereiche eingeteilt wurden. Hier nisten zahlreiche Vogelarten, die auf der roten Liste stehen oder allgemein gefährdet sind. Der Kiebitz zum Beispiel oder auch die Turteltaube. „Man kann hier sehr schön erkennen, dass kaum ein Vogel, der hier lebt, nicht bedroht ist“, erklärt Schönrich und verweist auf die Liste der kartierten Arten an der Weschnitz.
Amphibien wurden hingegen lediglich an wenigen Stellen kartiert, noch weniger seien Eidechsen entlang des Flüsschens vertreten. Auch wurde untersucht, welche wasserliebenden Lebewesen sich aktuell in der Weschnitz tummeln.
„Strömungsliebende Zielarten sind in geringer Anzahl vorhanden, Barbe oder Hasel zum Beispiel. Die wichtige Zielart Nase fehlt allerdings. Stillwasserliebende Zielarten sind, wie der Bitterling, sind nur in geringer Anzahl vorhanden“, berichtet Schönrich. Hecht, Rotfeder und Steinbeißer fehlen in der Weschnitz, und auch Krebse und Großmuschelbestände konnten nicht nachgewiesen werden.
Pappelreihe darf stehen bleiben
Die geotechnischen Untersuchungen haben ergeben, dass gegebenenfalls technische Maßnahmen nötig sind, um einem „hydraulischen Grundbruch“ vorzubeugen. „Auch wenn die Wahrscheinlichkeit gering ist: Wenn die Deckschichten nicht dick genug sind, dann kann der Boden im Hinterland aufbrechen und es kann zu Erosionen am Deichbauwerk kommen.“ Und um das zu verhindern könne eine Spund- oder Dichtwand zum Einsatz kommen. Basierend auf den Ergebnissen monatelanger Messungen haben die Planer sieben Varianten ausgearbeitet, von denen es Variante drei zur Vorzugsvariante geschafft hat. „Variante drei entspricht den erforderlichen gesetzlichen Vorgaben, entspricht den Anforderungen im Bereich Naturschutz und auch im Bereich der Geotechnik sind keine Einschränkungen erkennbar“, so Schönrich. Aus der Frühen Öffentlichkeitsbeteiligung seien Anmerkungen wie die Berücksichtigung der rechten Seite eingegangen, landschaftsprägende Elemente wie die Pappelreihe dürfen stehen bleiben und auch auf die Kleingärten sei Rücksicht genommen worden. Das Wäldchen sei mit berücksichtigt und die Rheinschlinge außen vor gelassen worden.
138 Hektar groß ist die Gesamtfläche, um die es bei dem Vorhaben geht. Dabei werden 84 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche fällig, von denen 51 Hektar in Einhausen und 33 Hektar in Biblis liegen. Deutlich zu viel, finden einige Landwirte, die sich zu Wort meldeten.
© Bergsträßer Anzeiger, Mittwoch, 04.03.2020
Schon im Laufe der Präsentation brannten einigen Zuhören Fragen unter den Nägeln. In der anschließenden Diskussionsrunde machten vor allem Landwirte, die angrenzende Flächen gepachtet haben, ihrem Ärger Luft.
„Die Planung erschlägt mich“, kritisierte einer der Landwirte. Der Einhäuser könne nicht nachvollziehen, warum so viel wertvoller Boden verplant werde. Daraufhin äußerte sich Ulrich Androsch, Geschäftsführer des Gewässerverbandes Bergstraße: „Die Flächeninanspruchnahme ist aus ökologischen Gründen so gewählt, um Arten, die auf der roten Liste stehen und die in diesem Bereich leben, zu schützen. Und ein Teil der Bevölkerung fordert das ein.“
Kritik an hohem Flächenverbrauch
Auch von Landwirten aus Biblis wurden kritische Stimmen laut: „Das ist einfach ein zu hoher Flächenverlust. Auch wir sind für den Hochwasserschutz, aber mit verträglichem Geländebedarf, wie das bei den Varianten null bis zwei der Fall ist.“ Die Planer lehnen diese jedoch ab.
„Diese Varianten erfüllen nicht die gesetzlichen Vorgaben. Sie sind nicht zulässig, unter anderem aufgrund der Wasserrahmenrichtlinie“, so Androsch. „Mit der Variante drei haben wir unserer Ansicht nach den bestmöglichen Kompromiss gefunden, um sowohl die wertvollen Böden, als auch den Naturschutz zu berücksichtigen.“
Mit ähnlichen Kritikpunkten meldeten sich auch andere Landwirte zu Wort. Auch für sie sei die Entscheidung für die Variante drei nicht nachvollziehbar.
Die ebenfalls von einigen Betroffenen kritisierte Flurbereinigung diene letztlich dazu, dass der private Flächenverlust 2,5 Prozent nicht überschreite. Auf die Frage eines ebenfalls betroffenen Landwirts, ob es noch die Möglichkeit gebe, Einfluss zu nehmen, äußerte sich Ulrich Androsch: „Wir haben versucht, die Anregungen und Bedenken aller Betroffenen so gut wie möglich umzusetzen.“
Dennoch würden gravierende Einwände, die dem Planungsteam noch nicht vorliegen, nach wie vor berücksichtigt. Und gerade auch, wer durch eine andere Maßnahme schon einmal ähnliche Probleme gehabt habe, solle dies einbringen: „So etwas wird berücksichtigt, kommen Sie auf uns zu“, machte er in der Diskussion deutlich ssr
Der Deich zwischen Biblis und Einhausen wird saniert, die Weschnitz-Deiche wurden zuletzt 1968 ausgebaut. Auch die technischen Vorgaben und die Standsicherheitsanforderungen haben sich verändert. Das Regierungspräsidium Darmstadt hat eine Ertüchtigung angemahnt.
Für die betroffenen Städte und Gemeinden des Kreises kümmert sich der Gewässerverband Bergstraße unter anderem um die Unterhaltung und Sanierung der Deiche und ist somit auch sogenannter „Vorhabensträger“ für die Baumaßnahme.
Die Deiche müssen bei extremem Rheinhochwasser einem bis kurz vor Einhausen möglichen Rückstau in die Weschnitz wochenlang standhalten.
Bis 2027 müssen im Rahmen der EU-Wasserrahmenrichtlinie verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerökologie und des Naturraums umgesetzt werden.
Eine Schätzung aus dem Jahr 2014 geht von Baukosten in Höhe von 10 Millionen Euro aus. Genauere Angaben dazu wird es erst nach Abschluss der Planung geben können. 75 Prozent der Kosten wird das Land übernehmen. 25 Prozent werden der Gewässerverband und damit die in ihm zusammengeschlossenen Kommunen solidarisch tragen.
Androsch rechnet mit einem Baubeginn frühestens 2022. Nach Untersuchungen und der Planung steht das Genehmigungsverfahren mit Beteiligung und die Ausschreibung an. ssr/kel